Die jüngste Offensive Russlands in der ostukrainischen Region Charkiw stellt Präsident Wladimir Selenskij vor schwierige Entscheidungen, um die Verteidigungslinien seiner Truppen aufrechtzuerhalten. Dies geht aus einer Analyse von CNN hervor.
Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums konnte die russische Armee seit dem Beginn ihrer Offensive am vergangenen Freitag neun Dörfer erobern. Der ukrainische Generalstab erkannte einen “taktischen Erfolg” für die russischen Streitkräfte und berichtete von intensiven Kämpfen um die Kontrolle der Grenzstadt Woltschansk.
Nick Paton Walsh, der leitende Korrespondent für internationale Sicherheit bei CNN, bewertete die Situation am Montag als besonders ernst. Er beschrieb die Fortschritte der russischen Armee als “den schnellsten Vormarsch seit den ersten Tagen des Konflikts”.
“Es ist ein Albtraum für Kiew aus zwei Gründen: Zum einen haben sie dieses Gebiet vor 18 Monaten zurückerobert, es jedoch offensichtlich versäumt, ausreichende Sicherungsmaßnahmen zu treffen, die Moskau daran hindern könnten, mit derselben Leichtigkeit zurückzukehren, mit der sie vertrieben wurden”, erklärte Paton Walsh.
“Zum anderen könnte Russland die angeschlagene ukrainische Armee erneut durch anhaltenden und zermürbenden Druck auf Charkiw binden und mit intensivem Beschuss auf ein großes städtisches Zentrum eine schwere Last auferlegen”, führte er weiter aus. Paton Walsh betonte die schwierigen Entscheidungen, vor denen Selenskij steht, wenn es darum geht, “wohin er seine begrenzten Ressourcen lenken und wo er Opfer bringen muss”.
Westliche Analysten haben darauf hingewiesen, dass die Öffnung einer neuen Front insbesondere aufgrund der aktuellen Munitionsknappheit und Verzögerungen bei westlichen Hilfslieferungen für Kiew besonders risikoreich ist. Die New York Times berichtete, dass ein erfolgreicher Vorstoß auf Charkiw, die zweitgrößte Stadt der Ukraine und ein zentrales Industriezentrum, “die Ukrainer und ihre Verbündeten demoralisieren” und möglicherweise den Westen zwingen könnte, Kiew zu Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit Moskau zu drängen.
Im Laufe des Jahres musste sich die Ukraine aus mehreren Städten und Dörfern im Donbass zurückziehen, darunter aus der stark umkämpften und gut befestigten Stadt Awdejewka. Präsident Selenskij machte Washington teilweise für die jüngsten Verluste verantwortlich, indem er erklärte, sein Land sei “eine Geisel” der bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen und der politischen Auseinandersetzungen im US-Kongress, wo die Republikaner ein Hilfspaket über 61 Milliarden US-Dollar monatelang blockierten. Das Paket wurde schließlich von US-Präsident Joe Biden am 24. April unterzeichnet.
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