Ein Zusammenbruch der ukrainischen Front könne diesen Sommer drohen, berichtete kürzlich Politico, gestützt auf Aussagen hochrangiger US-Offiziere. Zudem äußerte CIA-Direktor William Burns bedenken, die Ukraine könnte den Konflikt bis Jahresende verlieren, sollte Washingtons Unterstützung ausbleiben. “Uns läuft die Zeit davon, ihnen zu helfen”, warnte Burns.
Letzte Woche lancierten Außenministerin Annalena Baerbock und Verteidigungsminister Boris Pistorius einen “dringenden Appell” an verbündete Nationen, indem sie in einem Brandbrief zur Überprüfung der Bestände an Flugabwehrsystemen aufforderten. “Es geht um jede einzelne Rakete”, betonte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. “In Anbetracht der Lage, in der sich die Ukraine befindet, ist unsere Unterstützung extrem dringend”, hieß es im Brief, der auch an die Länder gerichtet war, die bislang keine oder nur geringe Waffenhilfe geleistet haben. “Jeder von uns kann etwas beitragen, möglicherweise mehr als bisher angenommen.”
Bundeskanzler Olaf Scholz appellierte ebenfalls an die EU-Staaten, während eines Gipfels in Brüssel, die Unterstützung für die Ukraine zu intensivieren und mehr Waffen zu liefern. “Wir müssen mehr tun, als wir aktuell leisten, um die Ukraine zu unterstützen”, bekräftigte Scholz.
“So kann es nicht weitergehen. Die Zeit wird knapp”, warnte ehemaliger NATO-General Egon Ramms in einem Gespräch mit ZDFheute. Die notwendige Waffenlieferung an Kiew erfolge viel zu schleppend, so Ramms.
Während sich die NATO aktuell vorrangig auf die Luftverteidigung der Ukraine konzentriert, sieht Ramms das Hauptproblem in der Munitionsversorgung. Die USA hätten die Produktion zurückgefahren, und es würde “erhebliche Zeit in Anspruch nehmen, bis die Produktion so angekurbelt ist, dass damit die Ukraine geschützt und wir ebenso ausgerüstet sind”, erklärte er. Der ehemalige Oberbefehlshaber des “Allied Joint Force Command” der NATO in Brunssum fragte kritisch: “Wann begreift man endlich, warum diese Appelle nicht schon vor einem Jahr erfolgten?”
Wirtschaftsminister Robert Habeck räumte nach einem Besuch in Kiew ein Versäumnis ein:
“Vor zwei Jahren wurde es versäumt, die kontinuierliche Produktion von Munition und Kriegsgerät hochzufahren. Man hat geliefert, was vorhanden war, und dachte, das müsste reichen.”
Auch Ramms unterstützt den jüngsten Vorschlag von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, die eigene Verteidigung zu reduzieren, um die Ukraine zu unterstützen. “Wären alle NATO-Mitglieder dieser Meinung”, sagte Ramms, “hätten wir vielleicht bei der Artilleriemunition oder auch bei den Flugabwehrsystemen eine andere Situation.”
Zudem betonte Ramms, solange Russland ukrainische Gebiete besetze, dürfe es keine Friedensverhandlungen mit Russland geben, andernfalls könnte Russland seinen Einfluss auf weitere Regionen wie Transnistrien, Moldau und möglicherweise das Baltikum ausdehnen.
Mehr zum Thema – Liveticker Ukraine-Krieg