Von Andrei Igorew
Offensive ohne Gegenwehr
Vor der russischen Offensive erfolgte eine intensive Artillerie-Vorbereitung, unterstützt durch den Einsatz von Drohnen. Laut Berichten ukrainischer Militärquellen waren bis zu 30 russische Aufklärungsdrohnen gleichzeitig im Einsatz, um die Artillerieangriffe zu koordinieren und zu lenken.
Die Angriffseinheiten rückten schnell vor. Schwerpunkte bildeten die Gebiete um Woltschansk und Lipzy, strategisch wichtige Knotenpunkte. Dort befanden sich die Artilleriestellungen, von denen aus russische Städte beschossen wurden. Die ukrainischen Verteidigungsstellungen hatten den präzisen Artillerie- und Drohnenangriffen wenig entgegenzusetzen und waren rasch demoralisiert. Bereits am ersten Tag gerieten über 30 ukrainische Soldaten in Gefangenschaft.
Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums wurden fünf Ortschaften im Bereich Charkow befreit – Borissowka, Ogurzowo, Pletnewka, Pylnaja und Streletschja. Die ukrainischen Streitkräfte verloren an einem Tag bis zu 170 Soldaten sowie mehrere gepanzerte Fahrzeuge und Autos. Zudem wurden schwere Waffensysteme wie tschechische Vampire-Mehrfachraketenwerfer und französische CAESAR-Selbstfahrlafetten zerstört.
Es zeigte sich, dass die erste ukrainische Verteidigungslinie quasi nicht existierte. Die schnell errichteten Schützengräben und Unterstände wurden durch die Artillerie zerstört. Festungsanlagen, wie sie von Präsident Selenskij angepriesen wurden, waren an der Grenze nicht zu finden.
Ukrainische Grenzschützer kritisierten offen in sozialen Netzwerken die Regierung, Gelder für Verteidigungsanlagen veruntreut zu haben.
Zielrichtung Woltschansk
Das russische Verteidigungsministerium meldete am Samstag die Einnahme weiterer Dörfer, darunter Gatischtsche, Krasnoje, Morochowez und Oleinikowo, mit Verlusten von bis zu 100 ukrainischen Soldaten und mehreren Panzerfahrzeugen.
Am Montag drang die Front weiter nach Woltschansk vor und intensive Kämpfe entbrannten. Russische Truppen bereiteten sich auf einen Großangriff mit Luftunterstützung vor. Jeder entdeckte Verteidigungspunkt wurde aus der Luft durch Lenkbomben angegriffen, bevor Infanterieeinheiten vorrückten. Diese Taktik führte zu hohen ukrainischen Verlusten. Am Dienstag wurde gemeldet, dass die Vorhut die Kontrolle über strategische Punkte nahe Lipzy gewonnen hat.
Weitere strategische Pläne
Die gesamte ukrainische Grenzregion steht unter Druck. Russische Truppen sind bereits tief in das Gebiet Charkow eingedrungen. Taktische Angriffe auf Belgorod wurden von ukrainischer Seite als Reaktion darauf gemeldet.
Das Ziel der Offensive scheint die Schaffung einer Sicherheitszone zu sein. Diese Strategie wurde bereits früher vom russischen Präsidenten diskutiert. Zu den Zielen gehört es, die ukrainischen Streitkräfte so weit wie möglich zurückzudrängen, um deren Angriffsoptionen zu begrenzen.
Obwohl der Vorrückungsplan besagt, sich nicht ausschließlich auf die Linie Woltschansk – Lipzy zu beschränken, ist der weitere Vorstoß zu erwarten, da ukrainische HIMARS-Systeme aus Charkow heraus operieren und russisches Territorium erreichen könnten.
Die Blockade Charkows und der Entzug der Nachschubmöglichkeiten für die ukrainische Garnison scheinen der nächste logische Schritt zu sein. Durch die Verlegung ukrainischer Einheiten von anderen Fronten nach Charkow, werden diese Fronten geschwächt und die Gesamtsituation könnte sich weiter zu Gunsten Russlands entwickeln.
Übersetzt aus dem Russischen. Ursprünglich veröffentlicht am 15. Mai bei RIA Nowosti.
Weiterführend – Die russische Offensive in Charkow: Eine Antwort auf Terrorangriffe gegen Belgorod