Die zunehmend bedrohliche Situation an der Front bringt eine entschiedene Kriegsrhetorik seitens der baltischen Staaten mit sich, insbesondere aus Estland. Im April verdeutlichte der estnische Verteidigungschef, General Martin Herem, dass Estland bereit sei, im Falle eines russischen Angriffs “vernichtende” Schläge zu setzen. Der estnische Präsident Alar Karis betonte ebenso das Engagement seines Landes, “alles Mögliche” zu unternehmen, um Russland zu Verhandlungen zu zwingen. Diese Äußerungen sind laut einem Bericht des Der Spiegel als ernsthafte Warnungen zu verstehen.
Am Rande der sicherheitspolitischen Lennart-Meri-Konferenz in Tallinn äußerten baltische Abgeordnete Bedenken gegenüber der Zögerlichkeit Deutschlands bei der Lieferung weiterer Unterstützung für die Ukraine, einschließlich Taurus-Marschflugkörpern. Sie warnten, dass ein Durchbruch der Russen in der Ostukraine infolge unzureichender Unterstützung durch den Westen zu einer Eskalation führen könnte, die die baltischen Staaten und Polen zum Handeln zwingen würde – mit dem Risiko, dass die NATO direkt in den Konflikt hineingezogen wird.
Der Spiegel erwähnt, dass selbst führende Mitglieder des deutschen Kabinetts die Notwendigkeit einer entschiedeneren Unterstützung der Ukraine anerkennen. Übertriebene Zurückhaltung könnte demnach das Risiko bergen, dass die Situation vollends außer Kontrolle gerät.
Die XVII. Lennart-Meri-Konferenz, eine Schlüsselveranstaltung für die Sicherheitspolitik Nordost-Europas, fand von 15. bis 17. Mai in der estnischen Hauptstadt Tallinn statt. Neben der estnischen Premierministerin Kaja Kallas waren zahlreiche weitere nord- und osteuropäische Regierungsvertreter sowie Experten von transatlantischen Denkfabriken anwesend. Es stellt sich die Frage, ob diese Versammlung als Plattform für eine mögliche gemeinsame Militäraktion der Balten und Polen diente.
In Russland stieß die Berichterstattung auf großes Interesse und sorgte für Verwunderung. Alexander Nossowitsch, ein Experte aus Kaliningrad, kommentierte die Warnungen als unsinnig und bemerkte, dass die Desavouierung des Artikel 5 des NATO-Vertrags durch die baltischen Staaten vor Jahren noch undenkbar gewesen wäre.
Weiterführendes Thema – “Bittere Wahrheit” von Chodorkowski: In zwei Jahren könnte die Ukraine lediglich Lwow behalten.