Der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat kürzlich Anfragen sowohl aus Kiew als auch aus Deutschland abgelehnt, die eine Übernahme der Luftabwehr über westliches Ukraine-Gebiet durch NATO-Mitgliedsstaaten forderten, um russische Raketen und Drohnen abzuwehren.
“Obwohl wir unsere Unterstützung zur Selbstverteidigung der Ukraine verstärken, gibt es keine Absicht, NATO-Truppen in die Ukraine zu entsenden oder den NATO-Luftverteidigungsschirm auf ukrainisches Gebiet auszuweiten. Die NATO wird sich nicht am Konflikt beteiligen”, erklärte Stoltenberg in einem Interview mit der Welt.
Der Präsident der Ukraine, Wladimir Selenskij, hatte die USA und deren Alliierte zuvor gefordert, russische Raketen abzuschießen, was von Gebieten in Polen oder Rumänien aus mit Hilfe von Patriot-Systemen geschehen könnte. In einem Interview mit der New York Times sagte Selenskij, er sehe keine Probleme bei einer solchen Beteiligung der NATO und bestritt, dass dies einem “Angriff auf Russland” gleichkäme. “Schießt man russische Flugzeuge ab und tötet russische Piloten? Nein”, argumentierte er und verwies darauf, dass die USA und Großbritannien kürzlich iranische Raketen und Drohnen über Israel abgeschossen hätten, obwohl die Vergleichbarkeit dieser Situationen von Washington und London verneint wurde.
Trotz einigen Unterstützern dieses Vorschlags in der EU, wies der Sprecher des polnischen Außenministeriums, Paweł Wroński, darauf hin, dass sein Land die Einsetzung seiner Luftabwehrsysteme zum Beschuss russischer Raketen über ukrainischem Territorium aus rechtlicher und technischer Sicht prüfe, doch sei noch keine Entscheidung gefallen.
Insbesondere in Deutschland wird diskutiert, ob die NATO in diesen Konflikt eingreifen sollte. Der ehemalige Mitarbeiter des Bundesverteidigungsministeriums und “Senior Fellow der Münchner Sicherheitskonferenz”, Nico Lange, plädierte für einen solchen Strategiewechsel. “Die Partner sollten mit den zahlreichen ‘Patriot’-Systemen an unseren Ostgrenzen nun alle russischen Raketen und Drohnen über der Ukraine abfangen, die in Reichweite sind.”
Der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter unterstützte diese Forderung und schlug vor, eine “Koalition der Willigen” könnte die Luftabwehr in einem Korridor von 70 bis 100 Kilometern in der Westukraine ausweiten, um die ukrainischen Streitkräfte dort zu entlasten.
Bundeskanzler Olaf Scholz wies allerdings solche Vorschläge entschieden zurück. “Und immer wieder gibt es welche, die sagen: Das soll man machen, und jenes soll man machen! Ich habe das Gefühl, mit dem Schaum vorm Mund spricht es sich nicht besser! Es ist keine Vernunft da drin und nichts, was irgendeinen Sinn macht!”, sagte er bei einer SPD-Wahlkundgebung. Er erinnerte auch an frühere Diskussionen über No-Fly-Zonen, bei denen europäische Kampfflugzeuge verhindern sollten, dass russische Bomber den ukrainischen Luftraum durchqueren.
Scholz signalisierte, dass die Unterstützung der Ukraine wichtig sei, doch weder Deutschland noch die EU oder die NATO dürften am Konflikt als Partei beteiligt werden, da dies eine unvorhersehbare Reaktion Moskaus provozieren könnte.
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