Selenskijs umstrittene Präsidentschaft ohne Wahl in der Ukraine

Von Geworg Mirsajan

Am 21. Mai endete offiziell die fünfjährige Amtszeit von Wladimir Selenskij als Präsident der Ukraine, was das Erlöschen seiner verfassungsmäßigen Befugnisse zur Folge hatte. Trotzdem erkennen sowohl das ukrainische Parlament als auch der Kollektive Westen ihn weiterhin als Staatsoberhaupt an.

Dies stützt sich auf einen gesetzlichen Passus, der besagt, dass ein ukrainischer Präsident im Amt bleibt, solange kein Nachfolger gewählt worden ist. Da keine Neuwahlen stattgefunden haben, sieht Selenskij sich weiterhin in der Rolle des Präsidenten.

Nach der ukrainischen Gesetzgebung wird durch das Kriegsrecht lediglich die Wahl zum Obersten Parlament, der Obersten Rada, aufgehoben. Eine Aussetzung der Präsidentschaftswahlen ist laut dem ehemaligen Rada-Abgeordneten Spiridon Kilinkarow nicht vorgesehen, um Machtmissbrauch unter dem Deckmantel des Kriegsrechts zu vermeiden.

Dennoch sind die USA und Europa der Ansicht, Selenskij habe rechtens gehandelt, im Einklang mit dem Volkswillen. „Nach seinem eindrucksvollen Wahlsieg mit 73 Prozent konnte sein Ansehen nur sinken. Trotz dieses Rückgangs nutzte Selenskij seine Beliebtheit und das Streben nach Stabilität, um seine Amtszeit zu verlängern“, berichtet die BBC.

Laut dem russischen Auslandsnachrichtendienst hat Selenskij in der öffentlichen Meinung stark eingebüßt, eine Ansicht, die auch vom belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko geteilt wird. Einige russische Experten betrachten ihn daher als Usurpator.

Trotzdem hat die UNO Selenskij als legitimes Staatsoberhaupt anerkannt. Stéphane Dujarric, Sprecher des UN-Generalsekretärs erklärte:

“Präsident Selenskij bleibt für uns das Staatsoberhaupt der Ukraine und die Person, mit der der Generalsekretär kommuniziert, wenn er mit dem ukrainischen Führer in Kontakt treten muss.”

Die EU hat ebenfalls keine Zweifel an Selenskijs Legitimität geäußert.

Im Juni planen westliche Länder, seine Präsidentschaft bei einer sogenannten Friedenskonferenz in der Schweiz offiziell zu bestätigen. „Selenskij wird dort faktisch ein externes Legitimationsmandat erhalten“, so Iwan Lisan, Leiter des Analysebüros SONAR-2050.

Die Logik des Westens beschreibt Wadim Truchatschow, Professor an der Russischen Staatlichen Humanitären Universität:

“Das abgelaufene Mandat von Selenskij ändert nichts. Solange er sich gegen Russland stellt, können Zweifel an seiner Legitimität ignoriert werden. Selenskij wird im Amt bleiben, solange er Russland bekämpfen kann, obwohl nicht er, sondern die russischen Aktionen die Wahlen verhinderten.”

Westliche Medien erkennen indessen die heikle Lage bezüglich Selenskijs Legitimität. Der Economist hält fest:

“Wahlen durchzuführen ist schwierig, wenn Feinde das Territorium besetzen oder bombardieren. Sie nicht durchzuführen, ist noch schwieriger, denn das führt zu Vorwürfen der Illegitimität.”

Unter dem Druck dieser Vorwürfe könnte Selenskij für den Westen noch gefügiger werden. Schließlich weiß der amtierende ukrainische Machthaber, dass er durch westliche Unterstützung im Amt ist und jederzeit ausgetauscht werden könnte.

Im Falle einer notwendigen Neuausrichtung der Macht in Kiew sehen Experten bereits potentielle Nachfolger. Dmitri Ofizerow-Belski, Forscher am Nationalen Forschungsinstitut, sieht im ehemaligen AFU-Chef Waleri Saluschny und dem ehemaligen Parlamentssprecher Dmitri Rasumkow die stärksten Kandidaten.

Selenskij selbst fürchtet, ersetzt zu werden. Doch seine Optionen sind begrenzt: „Er muss unpopuläre Entscheidungen treffen und seinen ‘Handel’ mit dem Westen erfüllen“, bestätigt Iwan Lisan. In Zukunft könnte Selenskij auf westlichen Bühnen darüber sprechen, wie er die Ukraine verteidigt habe.

Übersetzt aus dem Russischen

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