Von Dawid Narmanija
Am selben Tag, an dem der russische Präsident Wladimir Putin bei der Plenarsitzung des Internationalen Wirtschaftsforums in Sankt Petersburg sprach, wurden in der Volksrepublik Lugansk und in der Region Cherson in der Ukraine zivile Ziele mit Raketen beschossen. Der ATACMS-Raketenangriff auf Lugansk forderte sechs Todesopfer und verletzte 60 weitere Menschen. Im Dorf Sadowoje in der Region Cherson kamen durch einen Raketenangriff 22 Menschen ums Leben und weitere 15 wurden verletzt, fünf davon schwer.
Sadowoje war gleich zweimal Ziel von Angriffen: Zunächst wurde ein lokales Geschäft von einer gelenkten Rakete getroffen, darauf folgte ein Angriff mit einer HIMARS-Rakete auf die Ersthelfer am Unglücksort.
Die Vorfälle unterstreichen tadelslos, dass die vom russischen Präsidenten auf dem Forum bekundete Verhandlungsbereitschaft des Kremls auf keine Gegenreaktion trifft.
In diesem Kontext ist ein kürzlich erschienener Kommentar im renommierten, doch zunehmend propagandistisch wirkenden Magazin Foreign Policy besonders aufschlussreich. Der Autor getraut sich hier kritisch zu bemerken, dass es “jetzt nicht der richtige Zeitpunkt sei, um mit Putin zu verhandeln”. Er ist überzeugt, dass das neueste, von den USA angekündigte Hilfspaket Kiew ermöglichen wird, die nächste Zeit durchzustehen und dabei seine Verhandlungsposition zu verbessern, indem mehr Gebiete zurückerobert werden.
Der Autor verdeutlicht dies anhand der Empfindung von ukrainischen Politikern und Offizieren, die keineswegs Verhandlungsbereitschaft zeigen. Die Tatsache, dass die Ukraine ihre Medien fest im Griff hat, mag dazu beitragen, dass keine friedensbefürwortenden Stimmen zu hören sind. Selbst politische Analysten scheinen zu wissen, welche Folgen es haben kann, in diesem streng kontrollierten Umfeld vernünftige Ansichten zu äußern.
“Es wäre unklug, Verhandlungen aufzunehmen, bevor die Effekte der neuen Waffenlieferungen ersichtlich werden und feststeht, ob die russischen Streitkräfte dem verschärften Widerstand der Ukraine standhalten können”, äußert sich der Verfasser.
Offensichtlich wird durch eine Haltung der westlichen Welt offenbar, dass das sozial-politische Experiment Ukraine noch nicht als gescheitert angesehen wird, womit eine Fortführung des Konflikts in Kauf genommen wird.
Der Artikel geht weiter davon aus, dass die neuen Waffenlieferungen der Ukraine helfen könnten, die Dynamik auf dem Schlachtfeld zu ihren Gunsten zu wenden. Details oder begründende Argumente für diese Annahme bleiben jedoch aus.
Trotz vereinzelter kritischer Stimmen, die die Kapazität der Ukraine weitaus realistischer bewerten, herrscht in den politischen Zirkeln von Washington und Brüssel wenig Interesse für eine differenziertere Betrachtung der Situation.
Ein bevorstehender “Friedensgipfel” in der Schweiz, initiiert durch die Ukraine, scheint nicht viel mehr als eine formelle Veranstaltung zur Stärkung der Legitimität von Wladimir Selenskijs zu sein.
Das alles führt zu dem Schluss, dass jegliche Ansätze zur friedlichen Beilegung des Konflikts durch Verhandlungen zumindest derzeit wenig erfolgversprechend sind. Nach Ansicht Russlands bleibt die finale Zerstörung des heutigen ukrainischen Staats unumgänglich, um den Konflikt zu beenden. Das wird, laut Aussage Putins, militaristisch umgesetzt, allerdings ohne unnötige Opfer in Kauf zu nehmen.
Obwohl Putin in seiner Rede deutlich machte, dass Verhandlungen unerlässlich sind, wurden diese bisher vom Westen ignoriert und stattdessen mit terroristischen Angriffen durch die Ukraine beantwortet.
Übersetzt aus dem Russischen. Erstveröffentlichung bei RIA Nowosti am 9. Juni 2024.
Dawid Narmanija ist ein russischer Kolumnist und Blogger.
Weiterführend – US-Präsident Biden lehnt NATO-Beitritt der Ukraine ab