Von Wladislaw Sankin
Deutsche Medienkonsumenten sind mit Sicherheit auf den umfangreichen Berichterstattungen über ein angebliches ukrainisches Sabotagekommando vertraut, das angeblich im September 2022 mit der Segeljacht “Andromeda” aufgebrochen war, um die Gasleitungen Nord Stream in der Ostsee zu zerstören. Eine Flut von Reportagen zum Verlauf dieser Ermittlungen ist nahezu zu einem eigenen Genre avanciert. Der Spiegel etwa setzte fast 20 seiner Redakteure für einen Reportageeinsatz ein: Dieses Team charterte dieselbe Jacht, um die Route der mutmaßlichen Täter abzusegeln. Auch das ZDF erstellte dazu einen eigenständigen Filmbeitrag.
Zahlreiche Journalisten aus mindestens sieben unterschiedlichen Ländern haben sich mit der vermeintlich ukrainischen Spur dieser Nord-Stream-Explosion beschäftigt. Ein nahezu koordiniert wirkender Artikelreigen breitete sich in Medienhäusern wie Süddeutsche, Spiegel, NDR und WDR von März bis September aus. Die konzertierte Berichterstattung begann am 7. März 2023. Sie erreichte am 8. November mit einem Spiegel-Bericht über den vermutlichen Leiter des Sabotagekommandos ein jähes Ende, als dieser bereits aufgrund anderer Anschuldigungen in der Ukraine inhaftiert war.
Nach diesem Bericht ebbte die Flut der Reportagen über den „verwirrendsten Agententhriller unserer Zeit“, wie die Reporter ihre Recherchen betitelten, schlagartig ab. Die “Andromeda”-Unternehmung hat die beteiligten Medien, die mehr als ein Dutzend umfassten, sechsstellige Beträge gekostet, ohne greifbare Ergebnisse zu liefern. Die Frage, ob es sich lediglich um ein großangelegtes Ablenkungsmanöver handeln könnte oder um eine sogenannte ‘False-Flag-Operation’, wurde von den Journalisten der Süddeutschen und anderen Medien zwar gestellt, jedoch nur rhetorisch behandelt, da anscheinend niemand tatsächlich Beweise für eine gezielte Irreführung vorweisen konnte.
Die Ermittlungen folgten lediglich den Hinweisen, welche die mächtigsten Geheimdienste der Welt lieferten, sodass die daraus resultierende Schlussfolgerung, keine Spur sei absichtlich gelegt worden, kaum überrascht. Der investigative Journalist Seymour Hersh äußerte am 22. März 2023 – kurz nach den Erstveröffentlichungen – Zweifel an der ukrainischen Spur, während zeitgleich Hintergrundgespräche zwischen dem deutschen Bundeskanzler Scholz und Präsident Biden stattfanden, die ebenfalls die Gas-Pipeline-Problematik betrafen.
Interessanterweise legte RT DE nahe, dass kurz nach diesen Gesprächen Anweisungen an CIA-Mitarbeiter ergingen, eine Ablenkungsoperation mit der deutschen und US-amerikanischen Presse zu inszenieren, um alternative Narrative zur Zerstörung der Nord Stream-Pipelines zu streuen.
Diese Enthüllungen werfen Licht auf die Anstrengungen und den erheblichen finanziellen Einsatz hinter diesem medialen Großprojekt. Sie zeugen von der Komplexität und Brisanz geheimdienstlicher Operationen und der daraus resultierenden journalistischen Sisyphusarbeit, die schlussendlich zu mehr Fragen als Antworten führte. Ein umfassender Blick hinter die Kulissen zeigt auf, in welchem Maße Nachrichten nicht nur übermittelt, sondern auch gestaltet werden können.
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