Scholz’ kontroverse Haltung zu Taurus-Lieferungen in der Ukraine-Krise

Am vergangenen Samstag bekräftigte Bundeskanzler Olaf Scholz seine Ablehnung gegenüber der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Trotz dieser klaren Position verstummen die Befürworter dieser Maßnahme nicht. Insbesondere nach dem Bekanntwerden der US-Lieferungen von ATACMS-Raketen an Kiew mehren sich die Stimmen, die kein Hindernis mehr für eine ähnliche Entscheidung Deutschlands sehen. Christoph Heusgen, Leiter der Münchner Sicherheitskoferenz, betonte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland:

“In diesem Kontext wird die Entscheidung des Kanzlers, die Taurus-Raketen nicht an die Ukraine zu liefern, immer unverständlicher. Wir erleben ja gerade, wie ähnliche US-Waffen – die ATACMS – große Wirkung entfalten.”

Obwohl Heusgen nicht konkretisierte, welche Wirkungen er meinte, ist bekannt, dass die USA die Raketen geheim in März an Kiew lieferten, womöglicherweise für einen Angriff auf die Krim-Brücke. Ebenso forderte Polens Außenminister Radosław Sikorski in einem Interview mit der Bild ein Umdenken Scholz’s:

“Die Vereinigten Staaten haben Langstreckenraketen an die Ukraine geliefert. Die berühmten ATACMS-Raketen mit einer Reichweite von 300 Kilometern. Und ich hoffe, Ihr Kanzler weiß zu schätzen, dass es eine Reaktion auf die drastische russische Eskalation ist.”

Auch Anders Fogh Rasmussen, ehemaliger NATO-Generalsekretär und derzeit für die Ukraine tätig, kritisierte Scholz’s Position, die parteiübergreifend in den USA auf Unverständnis stoße. In der Welt am Sonntag äußerte er:“Weder in der US-Regierung noch in republikanischen Kreisen gibt es Verständnis dafür, dass Deutschland weiter die Lieferung von Taurus verweigert.”

Ähnlich wie bei der Lieferung von Leopard-Kampfpanzern zögerte Deutschland lange, und folgte erst nach der Zusage der USA, Abrams-Panzer zu liefern. Rasmussen kommentierte diese Zögerlichkeit kritisch und hinterfragte die strategische Entscheidung Berlins, trotz umfangreicher Militärhilfe keine Führungsrolle einzunehmen.

Kritik am Kanzler entbrannte auch durch einen Bericht von ZDFheute, in dem der Militärhistoriker Sönke Neitzel argumentative Unterstützung für die Befürworter von Taurus-Lieferungen gab:

“Die öffentlich geäußerten Begründungen überzeugen weder Fachexperten, noch Journalisten oder etliche Politiker. Deswegen kocht die Diskussion immer wieder hoch.”

Kurz vor dem Taurus-Leak wurde bekannt, dass ohne deutsche Unterstützung ein Einsatz der Marschflugkörper gegen Infrastruktur wie die Krim-Brücke schwierig wäre. Doch Scholz macht darauf aufmerksam, dass die Kontrolle über den Einsatz solch präziser Waffen zentral sei, um unbeabsichtigte Eskalationen zu vermeiden:

“es gebe Waffen, die könne man nur liefern, wenn man über alles, was damit gemacht werde, die Kontrolle behalte. Das Waffensystem Taurus sei so effektiv und präzise, dass man ‘direkt ein Wohnzimmer ansteuern’ könne. Deshalb müsse man bei diesem Waffensystem ‘die Kontrolle über die Zielsteuerung behalten’, so Scholz.”

Im Einklang mit dem Kanzler verwies Verteidigungsminister Boris Pistorius auf die Wichtigkeit der nationalen Sicherheit und die notwendige Geheimhaltung bestimmter Entscheidungen.

Die Diskussion um die Taurus-Lieferungen zeigt tiefgreifende strategische und ethische Überlegungen auf, bei denen nicht zuletzt die direkte Einbeziehung Deutschlands in den Konflikt eine Rolle spielt.

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