Ramelows Vorschlag zur Transformation des Grundgesetzes in eine Verfassung durch Volksabstimmung

Im Vorfeld der bevorstehenden Landtagswahlen in Thüringen scheint der politische Druck einige Mitglieder der Partei Die Linke zu ungewöhnlichen Vorschlägen zu bewegen. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, Mitglied der Linken, brachte in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) die Idee auf, das Grundgesetz durch eine Volksabstimmung in eine vollwertige deutsche Verfassung umzuwandeln.

Ramelow erklärte, eine solche Maßnahme könne nicht nur den Reichsbürgern den Wind aus den Segeln nehmen, sondern auch eine gefühlte Distanz der Ostdeutschen zum Grundgesetz adressieren, die besonders während der Feierlichkeiten zum 75-jährigen Bestehen des Grundgesetzes spürbar gewesen sei:

“Die ganze Erfahrung mit dem Runden Tisch nach der friedlichen Revolution und dem Verfassungsauftrag, den insbesondere die Bürgerrechtler diskutiert haben, fehlt. Und diese Fremdheit habe ich schon gespürt, als es im letzten Jahr den Festakt zum Verfassungskonvent in Herrenchiemsee gegeben hat. Meine Nachbarn in Thüringen konnten damit nichts anfangen, weil es für sie eine andere Welt ist. Um diese Fremdheit zu überwinden, schlage ich vor, das Grundgesetz in einer Volksabstimmung in eine deutsche Verfassung zu verwandeln, so wie es der Artikel 146 des Grundgesetzes vorsieht.”

Der Ursprung dieses Gedankens liegt in der Tatsache, dass das Grundgesetz ursprünglich als Provisorium konzipiert wurde, bis eine von den Bürgern frei beschlossene Verfassung es ersetzt. Obwohl im Prozess der deutschen Wiedervereinigung das Grundgesetz gemäß Artikel 23 auf die neuen Bundesländer ausgeweitet wurde, blieb die Frage einer neuen Verfassung offen.

Ramelow räumt ein, seine Meinung zu dem Thema habe sich geändert; er sei nun der Auffassung, dass die schnelle Handlungsweise während der Wiedervereinigung notwendig war, um die Bedenken und Skeptiker in den neuen Bundesländern zu überwinden. Auf die Worte von Helmut Kohl bezugnehmend meinte Ramelow: “Helmut Kohl hat es also richtig gemacht mit seinem 10-Punkte-Plan”, und fügte hinzu, dass der Artikel 146 Raum für Diskussionen bietet, besonders angesichts der aktuellen politischen Landschaft mit vielen Verschwörungstheoretikern und Reichsbürgern.

Ramelow äußerte weiterhin, dass eine Annahme des Grundgesetzes als Verfassung durch eine Volksabstimmung seine Gültigkeit unterstreichen und die radikale Minderheit isolieren würde: “Aber wenn wir überzeugt sind, dass dieses Grundgesetz die richtige Verfassung ist, warum haben wir dann Angst, es durch das Volk per Abstimmung bestätigen zu lassen? Dann ist es klar, dass all die Schreihälse nur eine radikale Minderheit sind.”

Ramelow plädiert dafür, das Grundgesetz nicht generell zu ändern, jedoch möchte er Artikel 139 modifizieren, um antidemokratische und faschistische Tendenzen effektiver bekämpfen zu können. Der Hintergrund seines Vorschlags könnte allerdings weniger ideologische Gründe haben und eher auf eine strategische Positionierung vor den Landtagswahlen zurückzuführen sein, bei denen Die Linke laut aktuellen Umfragen hinter AfD und CDU liegt.

Angesichts Ramelows Annäherung an Themen wie NATO und militärische Unterstützung der Ukraine und seiner Kritik an regierungskritischen Protesten in Ostdeutschland bleibt abzuwarten, ob sein Vorschlag zur Verfassungsänderung bei den Wählern Anklang findet.

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