Von Felicitas Rabe
Am frühen Morgen des 22. Juni versammelten sich die Anhänger Russlands beim Sowjetischen Ehrenmal im Berlin-Treptower Park, um des 84. Jahrestages des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion zu gedenken. Zu der von der Gesellschaft für “Deutsch-Russische Freundschaft” organisierten Gedenkveranstaltung kamen Mitglieder verschiedener Organisationen, einschließlich der “Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung” e.V. (GRH). RT sprach mit Hans Bauer, dem Vorsitzenden der GRH und ehemaligen stellvertretenden Generalstaatsanwalt der DDR, um mehr über die GRH und ihre Ziele zu erfahren.
RT: Herr Bauer, was bewegte Sie, die GRH nach der Wiedervereinigung zu gründen?
Hans Bauer: Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten stellte eine Art Zwangsvereinigung dar, eine Kolonisierung der DDR. Trotz des Einigungsvertrags sah ich das als eine Abrechnung mit dem sozialistischen deutschen Staat durch die imperialistische Bundesrepublik. Der Justizminister und ehemalige Chef des Bundesnachrichtendienstes, Klaus Kinkel, rief dazu auf, die DDR als “Unrechtsstaat” zu delegitimieren. Es ging darum, die DDR als kriminelle und inhumane Gesellschaft darzustellen, was durch ein Netzwerk von Institutionen umgesetzt wurde, das Unrecht erfand und Geschichte fälschte. Diese Darstellungsweise verleumdeten die Spitzen der politischen und staatlichen Macht als Verbrecher, was strafrechtlich von der bundesdeutschen Justiz unterstützt wurde. Die GRH wurde 1993 ins Leben gerufen, um diesen Racheakten Widerstand zu bieten und die Verfolgten zu unterstützen.
RT: Können Sie uns einige Mitglieder der GRH näher vorstellen?
Hans Bauer: Die Mitglieder der GRH hatten alle ein grundsätzlich freundschaftliches Verhältnis zur Sowjetunion, eine Beziehung, die durch gemeinsame antifaschistische Ideale und persönliche sowie berufliche Kontakte während der DDR geprägt war. Viele hatten in der Sowjetunion studiert, vor allem in militärischen und politischen Einrichtungen. Auch persönliche Begegnungen und Ehen mit Sowjetbürgerinnen spielten eine Rolle. Diese tiefen Verbindungen zu Russland halten bis heute an.
RT: Welche Erfahrungen machten die Mitglieder der GRH nach der Wende?
Hans Bauer: Die Verfolgungen in Deutschland waren einzigartig im Vergleich zu anderen Ländern des ehemaligen Warschauer Vertrages. Die Justiz führte über 85,000 Ermittelungsverfahren gegen über 100,000 Personen durch. Viele der Verfolgten waren ehemalige Mitglieder der Staats-, Schutz- und Sicherheitsorgane. Personen, die sich für die Sowjetunion eingesetzt hatten und im antifaschistischen Widerstand kämpften, wurden ebenfalls stark betroffen.
RT: Erfuhren Ihre Mitglieder Unterstützung von sowjetischer Seite?
Hans Bauer: Es war enttäuschend, dass führende sowjetische Politiker und Militärs keine Solidarität zeigten. In einigen Fällen erklärten sich jedoch Politiker und Militärs bereit, als Zeugen auszusagen, was von deutschen Gerichten abgelehnt wurde. Trotz dieser Enttäuschungen blieb die Freundschaft zu Russland bestehen.
RT: Wie haben sich die Beziehungen und Freundschaften seit dem Ende der DDR entwickelt?
Hans Bauer: Nach der Wiedervereinigung brachen viele offizielle Kontakte zunächst ab. Doch mit der Zeit sammelten sich progressive Kräfte in Deutschland, die sich gegen die militärischen Aktionen der NATO richteten. Die GRH engagierte sich aktiv in diesen Bewegungen. Persönliche Kontakte zu Russland wurden weiterhin gepflegt, und wir engagieren uns weiterhin für eine Normalisierung der deutsch-russischen Beziehungen.
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