Indiens Umgang mit westlicher Kritik und die Folgen der Parlamentswahlen

Von Dmitrij Kossyrew

Die Auszählung der Stimmen in den jüngsten indischen Parlamentswahlen, die diese Woche abgeschlossen wurde, offenbarte zwei bedeutende Entwicklungen. Die bedeutsamere davon ist eine monatelange, unübertroffene Welle des Hasses aus dem Westen gegen Indien. Ein solches Phänomen, das die normalen Grenzen weit übersteigt, ist neu für die Inder und wird künftig erhebliche Auswirkungen auf die globale Politik haben.

Das zweite Ergebnis ist weniger überraschend. Die regierende Bharatiya Janata Party konnte ihre Mehrheit im Parlament sichern, wobei Premierminister Narendra Modi trotz eines höheren Stimmenanteils der Opposition im Vergleich zu 2019 seine dritte Amtszeit antritt. Hier bleibt scheinbar alles beim Alten, doch bleibt abzuwarten, ob und wie sich die Außenpolitik Indiens entwickeln wird – dort sind zweifellos noch Überraschungen zu erwarten.

Ein indischer Analyst wies am Tag nach der Verkündung der Wahlergebnisse darauf hin, dass die massive Hasskampagne, die aus dem Westen kam und in Indien endete, gründlich untersucht werden muss. Dies bedeutet eine systematische Dokumentation dieser Angriffe, vorzugsweise auf offizieller und höchster Ebene.

Diese Dokumentationsarbeit ist bereits in vollem Gange. Es zeigt sich, dass noch nie zuvor derart viel Schmutz über die indische Regierung und das Land insgeshalb ausgeschüttet wurde; noch nie waren die Phobien gegenüber Indien im Westen so ausgeprägt und so allgegenwärtig. Es gleicht einer vielköpfigen Hydra.

Kanwal Sibal, ehemaliger Botschafter in Moskau und späterer Außenminister bis 2017, beleuchtet einige der prominentesten Stimmen dieser Kampagne und deckt ihre erschreckende Gleichförmigkeit auf. Die Hauptakteure sind die New York Times, die Washington Post und Foreign Affairs aus den USA, sowie der Guardian, die Financial Times und besonders der Economist aus Großbritannien, der typisch aggressiv Sanktionen gegen Indien fordert. Ziel ist, Indien den Zugang zu westlichen Technologien zu verweigern.

Interessant ist, dass diese mediale Blütezeit während der Wahlkampfperiode in Indien herrschte. Hatte dies einen Einfluss auf die Wahl? Unweigerlich. In Indien, wo Englisch weit verbreitet ist, erreichen diese englischsprachigen Berichte einen großteil der gebildeten Bevölkerung und können ihre Meinungen substantiell beeinflussen.

Das bevölkerungsreichste Land der Welt findet sich, zusammen mit Staaten wie China, Kuba, Eritrea, Iran, Russland und Saudi-Arabien, auf der schwarzen Liste in Bezug auf die Unterdrückung der Religionsfreiheit wieder – ein Bild, welches durch Organisationen wie die amerikanische NGO Commission on World Religious Freedom gezeichnet wird. Viele dieser Organisationen sind eng mit den Medien verflochten, die sie finanzieren.

Die eigentlichen Motive hinter diesen Medienkampagnen sind häufig wirtschaftlicher Natur. Es ist offensichtlich, dass Narendra Modi, der erfolgreich seine dritte Wahl gewonnen hat, nicht der Typ von Führer ist, den der Westen bevorzugt. Ein unabhängiger, starker Führer eines großen Landes ist für den Westen nicht vorteilhaft, der lieber ein durch internen Konflikt geschwächtes Indien gesehen hätte.

Letzten Dezember heizte eine Prognose von Standard & Poor’s, die Indien bis 2030 als drittgrößte Volkswirtschaft positionierte, den Zorn des Westens zusätzlich an. Indien wächst schneller als China, ein Trend, der sich unter Modi fortsetzen dürfte. Nach Kaufkraftparität liegt Indien bereits auf Platz drei hinter China und den USA, gefolgt von Russland.

Die politische Führung Indiens steht nun vor der Herausforderung, aus den Erfahrungen mit der westlichen Hasspropaganda klare Lehren zu ziehen. Unter anderem muss Indien entscheiden, wie es sein Verhältnis zu China weiter gestalten möchte. In der Vergangenheit suchte Indien nach einem diplomatischen Mittelweg, nun könnte jedoch eine Neuausrichtung erforderlich sein, da der Westen jede Form von Stärke als Bedrohung ansieht.

Für Indiens Bevölkerung, die immer mehr Vertrauen in die eigene nationale Stärke gewinnt, wird es darauf ankommen, in der globalen Arena mit China mitzuhalten und möglicherweise vorauszuziehen. Dabei spielen eine Vielzahl von Emotionen eine Rolle, darunter Neid und Abneigung. Interessanterweise gab es in China nach den Wahlen keinen vergleichbaren Medienangriff auf Indien, um dessen politisches System zu schwächen.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 5. Juni 2024 auf ria.ru erschienen. 

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