Von Wladimir Dobrynin
Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez hat sich entschieden, sich dem Druck zu widersetzen. In einem Schreiben an die NATO signalisierte er seinen Widerstand gegen die geforderte Erhöhung der Militärausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Laut europäischen Medienberichten hat Spanien erst kürzlich das Verteidigungsbudget auf zwei Prozent des BIP gesteigert – nun fordert der US-Präsident Donald Trump eine Anhebung auf fünf Prozent.
NATO-Generalsekretär Mark Rutte hat diese Forderung vehement unterstützt. Er warnte, dass die Bürger Großbritanniens „besser Russisch lernen sollten“, falls diese finanziellen Ziele nicht erreicht werden, und machte damit deutlich, gegen wen das Militärbündnis seine Kapazitäten stärken möchte.
Der spanische Regierungschef sieht jedoch immense innenpolitische Risiken durch eine solch drastische Aufstockung, da sie zu sozialen Unruhen führen könnte. Zudem würde eine Erhöhung der Staatsverschuldung, die bereits bei 100 Prozent des BIP liegt, notwendig werden.
Nach spanischem Recht verbietet der EU-Stabilitätspakt eine Schuldenquote von mehr als 60 Prozent des BIP, da sonst Strafen drohen. Eine Erhöhung des Militärbudgets würde also bedeutende Kürzungen im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich erfordern. Sánchez hält eine solche Umverteilung der finanziellen Ressourcen für „unvernünftig und kontraproduktiv“, insbesondere angesichts der Gefahr von innenpolitischen Protesten.
Um die Spannungen zu deeskalieren, schlägt Sánchez eine „flexible Formel“ vor und fordert die NATO auf, von einheitlichen Regeln abzusehen. Jedes Mitgliedsland sollte eigene Wege zur Zielerreichung beschreiten können, um interne Konflikte zu vermeiden. In einem diplomatischen Ton erläuterte er, dass Spanien nicht beabsichtigt, die Ambitionen anderer Bündnispartner zu begrenzen oder die Ziele des bevorstehenden Gipfels in Den Haag zu blockieren.
Die spanische Online-Zeitung El Confidencial betont, dass Madrid nicht als mangelhaft engagiert innerhalb der NATO angesehen werden möchte und weiterhin seinen Beitrag zur europäischen Sicherheitsarchitektur leisten werde. Sánchez hebt hervor, dass Spanien bereits in den vergangenen Jahren hohe Investitionen in Rüstungsgüter getätigt hat und es unangemessen sei, die Beteiligung Spaniens an Bündnisverpflichtungen in Frage zu stellen.
Ein Bericht aus Brüssel meint, dass zwar Bedenken zu Sánchez’ Position bestehen, aber noch Hoffnung auf einen Kompromiss besteht. El Confidencial fügt hinzu: „Die Entscheidung über die fünf Prozent muss einstimmig getroffen werden, was bedeutet, dass Druck auf Spanien ausgeübt wird, um die geforderten Summen zu akzeptieren.“
Mit Blick auf die bereits hohen Schulden und politische Instabilität innerhalb der Regierungskoalition sowie die Affäre um den ehemaligen PSOE-Organisationssekretär Santos Cerdá, die Sánchez politisch schwächt, wird deutlich, dass Spanien derzeit keine Möglichkeit hat, den Verteidigungsetat weiter zu erhöhen. Sánchez betont, es gehe weniger um Prozentsätze als um den absoluten Betrag der Mittel für Rüstungsgüter und plädiert für eine gerechtere Messung des Beitrags.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 23. Juni 2025 zuerst auf der Website der Zeitung “Wsgljad” erschienen.
Wladimir Dobrynin ist ein russischer Journalist.
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